Pascal Schmid 11.11.2015 10 min read

„Code of Conduct Hosting“: Bisherige Erfahrungen mit dem Leitfaden

Der Dachverband der schweizerischen Internetbranche, kurz simsa (Swiss Internet Industry Association), hat vor gut zwei Jahren den sogenannten „Code of Conduct Hosting“ (CCH) erarbeitet und als Massnahme der Selbstregulierung in Kraft gesetzt. netrics hat sich bereits von Beginn an zu diesem Kodex bekannt. Der CCH ist eine Art Leitfaden, der Schweizer Hosting-Providern Verhaltensgrundsätze für den Umgang mit rechtswidrigen, unzulässigen Inhalten an die Hand gibt. In der jüngsten Umfrage wurde dem CCH wieder ein gutes Zeugnis ausgestellt.

Das Ziel des Code of Conduct Hosting: Rechtssicherheit im Internet stärken

Ziel des Kodex ist es, die Grundsätze als Branchenstandard zu etablieren und somit die Rechtssicherheit nachhaltig zu stärken. Zugute kommt der CCH vor allem den durch rechtswidrige Inhalte geschädigten Personen bzw. Unternehmungen. Die Vorgaben im Leitfaden erleichtern es den Hosting-Providern, die Betroffenen dabei zu unterstützen, gegen diejenigen vorzugehen, die für die Veröffentlichung der beanstandeten Inhalte verantwortlich sind.

Als Hosting Partner und führender Anbieter von sicheren Cloud Lösungen pflegen wir zu unseren Kunden und Partnern eine vertrauensvolle Geschäftsbeziehung. Deshalb ist es uns ein besonders wichtiges Anliegen, auch für den Umgang mit Verstössen durch „schwarze Schafe“ gewappnet zu sein. Der Code of Conduct Hosting kann uns dabei unterstützen. Nicht zuletzt sind wir dies auch unseren rechtschaffenen Kunden schuldig.

Unzulässig! Rechtswidrig! Um welche Inhalte geht es?

Zu den unzulässigen Inhalten zählen Texte, Bilder etc., die die geltenden Rechte verletzen. In der Internetwelt geht es dabei meist um sogenannte „Immaterialgüterrechte“, wie etwa Urheberrechte oder Markenrechte sowie um die Persönlichkeitsrechte. Darüber hinaus gehören natürlich auch strafbare Inhalte in den Bereichen Gewaltdarstellung, Rassismus, Ehrverletzung oder Pornographie zu den unzulässigen, rechtswidrigen Inhalten.

Keine Pflicht zur Überwachung von Inhalten durch Hosting-Provider

Rechtlich verantwortlich für die im Internet veröffentlichten Inhalte sind nicht die Hosting-Provider, sondern die Betreiber der Websites und Applikationen, also die Kunden der Provider. Der Hosting-Dienstleister ermöglicht jedoch als Intermediär die Internetkommunikation, da er die Infrastruktur zur Speicherung und Veröffentlichung zur Verfügung stellt. Zu einer Überwachung dieser Inhalte ist der Provider nicht verpflichtet. Doch kein Hosting-Anbieter will illegalen Handlungen wissentlich oder absichtlich Vorschub leisten. Gewissenhafte Provider sehen es deshalb als ihre moralische Pflicht, die Unterbindung bzw. Löschung unzulässiger Inhalte zu unterstützen. Nicht zuletzt wird durch eine derartige freiwillige Selbstregulierung und durch die Unterstützung der Geschädigten auch das wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Potential des „Marktplatz Internet“ gestärkt.

Was genau beinhaltet der Code of Conduct Hosting?

Mit dem Bekenntnis zum Code of Conduct Hosting verpflichtet sich der Hosting-Provider, die darin festgelegte Richtlinien für den Umgang mit Hinweisen auf möglicherweise rechtswidrige Inhalte einzuhalten. Diese Regeln zielen in erster Linie darauf ab, den geschädigten Personen das Vorgehen gegenüber dem Verursacher der beanstandeten Inhalte zu erleichtern.

Der Betroffene sendet hierfür zunächst eine Benachrichtigung (Notice) an den Provider, in der er über die mutmassliche Rechtsverletzung informiert. Hierfür stellt der Provider beispielsweise ein Online-Formular bereit. Die Notice muss lediglich gewisse formelle Mindestanforderungen erfüllen. Der CCH definiert ein standardisiertes Verfahren, mit dem der Hosting-Dienstleister dann die Beanstandungen des Anspruchstellers an seinen Kunden, der die Inhalte veröffentlicht hat, übermitteln kann. Zudem hält der Provider zum Geschädigten Kontakt und informiert ihn über das Vorgehen. Für diesen Kommunikationsprozess stellt die simsa ihren Mitgliedern Musterschreiben zur Verfügung.

Zugleich fordert der Provider seinen Kunden dazu auf, die betreffenden Inhalte selbst zu löschen oder, wenn er die Anschuldigung für nicht gerechtfertigt hält, die Ansprüche gegenüber dem Anspruchsteller zu bestreiten. Werden im Laufe eines solche Prozesses Gerichte oder Behörden eingeschaltet, so verpflichtet sich der Hosting-Dienstleister, auch deren Anfragen zu beantworten.

Zur Einhaltung des CCH gehören auch interne organisatorische Massnahmen im Unternehmen des Providers, wie die Bestimmung eines Hauptverantwortlichen. Sie gewährleisten die schnelle Bearbeitung von Notices.

Wenn es hart auf hart kommt: Sperrung durch Provider und Strafanzeige möglich

Unter bestimmten Voraussetzungen und in schweren Fällen kann der Hosting-Provider nach Erhalt der Notice den Zugang zu den betreffenden Inhalten ganz oder teilweise sperren (notice and take down), bis die Angelegenheit zwischen den beiden Parteien oder durch Gerichte und Behörden geklärt ist. Eine solche Sperrung erfolgt nach eigenem Ermessen und in der Regel dann, wenn es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit tatsächlich um unzulässige Inhalte handelt. Auch wenn der Provider selbst strafrechtlich verantwortlich oder zivilrechtlich haftbar gemacht werden könnte, kann er zum eigenen Schutz eine Sperrung durchführen. Zudem steht es dem Provider jederzeit frei, selbst Strafanzeige zu erheben oder illegale Inhalte bei der Kobik (Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität) zu melden.

Code of Conduct Hosting in Action: Bisherige Erfahrungen und Wirksamkeit

Zum Wohle der Internetindustrie als wichtigem Wirtschaftszweig mit jährlich über 500 Millionen Franken Umsatz ist dem simsa-Verband an der Praxistauglichkeit des CCH gelegen. Um diese zu überprüfen führt simsa regelmässig Umfragen in der Hosting-Branche durch. Das Ergebnis: Bisher wurden nur positive Erfahrungen gemacht.

Spannend ist natürlich auch die Frage, was am häufigsten geahndet wurde. Mit 60 Prozent bezog sich die Mehrzahl der Anfragen auf Urheberrechtsverletzungen – und mehr als die Hälfte der Anfragen kamen aus dem Ausland, davon allein 40 Prozent aus den USA, gefolgt von Frankreich und Deutschland. Die Wirksamkeit des Vorgehens auf Basis der CCH-Verhaltensregeln macht Mut: Der Aufforderung zur Entfernung von Inhalten kamen die Kunden der Provider in mehr als zwei Dritteln der Fälle selbst nach.

Erfreulich ist zudem, dass der CCH auch in der politischen Diskussion zum Thema Sorgfaltspflicht und Haftungsrisiko von Internetdienstleistern auf positive Resonanz gestossen ist: So hat das Institut für Geistiges Eigentum im Schlussbericht zur Evaluation des Überarbeitungsbedarfs des Urheberrechts vom 28.11.2013 den Code of Conduct Hosting der simsa als Selbstregulierungsmassnahme für den „take down“ (Entfernung urheberrechtsverletzender Inhalte) ausdrücklich als geeignet bezeichnet. Schwieriger gestaltet es sich mit dem „stay down“ – der Verhinderung des erneuten Uploads. Hierfür müssen in der Zukunft durchführbare Lösungen erarbeitet werden.

Ein schwieriger Spagat: Warum die Selbstregulierung so sinnvoll und wichtig ist

Für die Geschädigten ist es häufig kaum möglich, die Verantwortlichen ausfindig zu machen und Verstösse zu unterbinden. Zwar gibt es in den meisten Ländern entsprechende rechtliche Mittel, doch vor allem aufgrund der internationalen Strukturen ist eine erfolgreiche Rechtsverfolgung in der Onlinewelt besonders schwierig. Viele Rechtsverletzungen werden anonym ausgeführt oder die Verursacher sind in Ländern ansässig, die die rechtliche Verfolgung erschweren.

Die verständliche Folge: Geschädigte wenden sich an die Internetzugangsanbieter oder Hosting-Dienstleister. Obgleich diese wie oben erwähnt nicht verantwortlich für die Inhalte sind, besteht seitens der Betroffenen die Forderung, die rechtswidrigen Inhalte zu sperren oder zu löschen. Doch die Dienstleister sind zur Geheimhaltung verpflichtet, das schreiben Fernmeldegesetz, Datenschutzgesetz und vertragliche Regelungen vor. Ihnen ist jedoch genauso daran gelegen, die Rechte der Nutzer zu schützen. In dieses Spannungsfeld grätscht der Code of Conduct Hosting – die freiwillige Selbstregulierung berücksichtigt die Pflichten gegenüber dem Kunden und unterstützt zugleich die Opfer dabei, ihre Rechte durchzusetzen. Deshalb halten wir von netrics den Code of Conduct Hosting für eine gute Sache! Das Bekenntnis zum CCH ist für uns ein weiterer Beitrag zu mehr Rechtssicherheit im Web.